H.U. Sturzenegger Schafwollverarbeitung in Grabs

Ein Stück Schweizer Handwerksgeschichte

Über viele Jahrzehnte war die Schafwollverarbeitung H.U. Sturzenegger in Grabs (SG) ein wichtiger Bestandteil des regionalen Handwerks. Der traditionsreiche Familienbetrieb stand für sorgfältige Verarbeitung von Schweizer Schafwolle – von der Rohwolle bis zum fertigen Vlies. Mit der Pensionierung von Hansueli Sturzenegger Ende 2019 endete eine Ära, die eng mit der Geschichte des Grabser Mühlbachs verbunden ist.

Ursprung und Entwicklung

Die Ursprünge der Wollverarbeitung am Grabser Mühlbach reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Bereits um 1850 wurde das Wasser des Mühlbachs genutzt, um Schafwolle zu waschen und zu verarbeiten. Ab 1873 kamen Spinnmaschinen hinzu, und rund 1915 folgte eine kleine Weberei. Dort wurden Stoffe und Textilien hergestellt, bis die Produktion in den 1950er-Jahren eingestellt wurde.

In den folgenden Jahrzehnten spezialisierte sich der Betrieb auf das Waschen und Kardieren von Schafwolle. Die Anlage war bekannt dafür, auch kleinere Mengen regionaler Wolle anzunehmen – eine Seltenheit in der Schweiz. Damit leistete der Betrieb einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung lokaler Wollproduktion und unterstützte zahlreiche Bauern und Schafhalter aus der Umgebung.

Technik und Energie aus dem Grabser Mühlbach

Das Wasserrad des Betriebs trieb über Transmissionsriemen verschiedene Maschinen an – vom Waschtrog bis zur Karde. Diese traditionelle Form der Energiegewinnung wurde später erweitert: Ab 1968 diente das Wasserrad zusätzlich zur Stromproduktion und zur Erwärmung des Prozesswassers. Damit blieb der Betrieb lange Zeit ein Beispiel für nachhaltige Energieverwendung im Handwerk.

Der Mensch hinter dem Betrieb – Hansueli Sturzenegger

Hansueli Sturzenegger führte den Familienbetrieb über viele Jahre mit grosser Leidenschaft und Fachkenntnis. Unter seiner Leitung wurde die Anlage modernisiert, ohne ihren ursprünglichen Charakter zu verlieren. Mit seiner Pensionierung Ende 2019 stellte er den aktiven Betrieb ein, um das Lebenswerk in würdigem Zustand zu übergeben.

Erhalt des Kulturguts durch den Verein Grabser Mühlbach

Nach der Betriebsaufgabe schenkte Hansueli Sturzenegger grosse Teile der Ausstattung dem Verein Grabser Mühlbach (VGM). Damit bleiben die Maschinen und das technische Erbe erhalten. Der Verein pflegt heute die Anlage, organisiert Führungen und dokumentiert die Geschichte der Wollverarbeitung am Standort. Die neue Eigentümerschaft der Liegenschaft gewährte dem Verein zudem ein „Gastrecht“, damit der historische Teil weiterhin genutzt und gezeigt werden kann.

Aktuell sind die Führungen vorübergehend ausgesetzt, da auf dem Areal Bauarbeiten und Umnutzungen geplant sind. Laut Verein sollen die öffentlichen Besichtigungen voraussichtlich ab 2027 wieder möglich sein.

Bedeutung für die Schweizer Wollkultur

Die Schafwollverarbeitung Sturzenegger war über Jahrzehnte eine Brücke zwischen Landwirtschaft und Textilhandwerk. Während industrielle Textilproduktion zunehmend ins Ausland verlagert wurde, blieb der Betrieb in Grabs ein Symbol für lokale Qualität, Handarbeit und Nachhaltigkeit. Die Aufbereitung der Schweizer Schafwolle vor Ort war nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern trug auch zur Wertschöpfung in der Region bei.

Fazit

Mit der Schliessung der Schafwollverarbeitung H.U. Sturzenegger endete 2019 ein bedeutendes Kapitel Schweizer Handwerksgeschichte. Dank des Engagements des Vereins Grabser Mühlbach bleibt das Wissen über die traditionelle Wollverarbeitung jedoch erhalten. Die historische Anlage steht heute als Zeugnis regionaler Industriegeschichte und als Mahnung, wie wertvoll lokales Handwerk und nachhaltige Ressourcennutzung sind.

Mehr Informationen, Fotos und ein sehenswertes Video über die ehemalige Wollverarbeitung finden Sie auf grabser-muehlbach.ch.

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